Dienstag, 18. Januar 2011

Die Diktatur des schönen Scheins

Neal Stephenson kennt man ja. Wenn man auch keines seiner Romane oder seiner gelegentlichen Artikel im WIRED o.ä. gelesen hat, so stehen seine Bücher seit ein paar Jahren in den SciFi- und Fantasy-Ecken der Buchhandlungen ganz vorn. Und wenn man mal über nen Online-Händler z.B. ein Computerspiel kauft das mit Cyber- oder Steampunk nur anährend zu tun hat, dann erscheinen seine Bücher auch mal unter "Käufer die diesen Artikel gekauft haben, kauften auch..". Nun vor ein paar Jahren hatte ich von einem lieben Freund mal CRYPTONOMICON zum Geburtstag geschenkt bekommen. Das richtige Buch für Krypto-Nerds. Das Buch ist dick und der Autor äußerst geschwätzig. Nicht das die Story nicht spannend wäre, aber der Stephenson verliert sich immer wieder in ausschweifenen Erklärungen über Verschlüsselungen (die einen nach der Lektüre ein wenig paranoid zurücklassen und man damit anfängt nicht nur seine Emails mit einem 256-Bit-Schlüssel zu verschlüsseln, sondern auch seine SMS.. am besten gleich die Spickzettel an der Pinwand in der Küche) und er wird auch nicht müde immer wieder zu erwähnen das grafische Benutzeroberflächen doof sind (oder eben die Nutzer doof machen) und es nichts besseres als eine Command line gibt.



So habe ich mir dann sein Sachbuch DIE DIKTATUR DES SCHÖNEN SCHEINS - WIE GRAFISCHE OBERFLÄCHEN DIE COMPUTERNUTZER ENTMÜNDIGEN (engl. In the Bginning ... was the Command Line) zugelegt. Ich wollte nur mal gucken ob die oben erwähnte Meinung die des Protagonisten des Romans ist oder die des Autors. Schon nach wenigen Seiten weiß man das die Antwort 2 die richtige ist.

Klappentext:
Unkonventionell, provokant, witzig: Der Kult-Autor führt den Leser in die Welt hinter Windows-Wölkchenhimmel und MacOS-Grinsegesicht: Was steckt hinter diesen netten 'icons' - Papierkorb, Pfeil und Aktenordner -, mit denen wir täglich am PC hantieren? Ist die grafische Benutzeroberfläche nichts weiter als ein magischer Spiegel, der die Funktionsweise des Systems verklärt? Ein Muss für alle Computernutzer, ob 'einfache Anwender' oder ausgebuffte Profis.


Naja, das sagt doch schon Vieles aus. Die Legende besagt, das das Buch als einfache Email anfing (wo er irgend jemanden über moderne grafische Benutzeroberflächen wohl belehren wollte) und in eben dies 189 Seiten "starke" Buch endete, das 1999 raus kam und somit natürlich auch nicht mehr so ganz aktuell ist. Wenn man allerdings Interviews und Essays mit ihm aus der letzten Zeit so ließt, dann hat sich seine Meinung nicht groß geändert. Dort zeigt sich Stephenson auch immer recht zynisch und bisweilen verbohrt und besserwisserisch (huch, gibt es so ein Wort überhaupt?). Stephenson behauptet auch immer wieder seine Bücher mit Tintenfüller zu schreiben (so zu mindestens in einem Interview zu CRYPTONOMICON.. und wenn man sich die dicken Schinken so ansieht, die er auf dem Markt wirft, erscheint mir das doch recht fragwürdig. Naja, vielleicht stimmt es ja auch. Gibson schreibt seine Cyberspace-Romane ja zu mindestens, wenn schon analog, doch auf einer mechanischen Schreibmaschine.). DIE DIKTATUR... strotzt nur so von Sätzen, die alle mit erhobenen Zeigefinger anfangen. Vielleicht ist es ja nur eine Form von Sarkasmus, den ich bloß nicht verstehe. Natürlich ist der Ansatz richtig, das man sich ruhig mal damit beschäftigen sollte, was hinter den bunten Icons so vor sich geht und natürlich ist es schon so, das es einen Apple oder Microsoft nicht einfach machen, dies auch zu tun. In seinem Buch geht er auch auf Linux u.a. ein. Nun hat sich Linux von Commando-Zeilen-Steuerung auch schon ein wenig verabschiedet und die Benutzeroberflächen sind unterdessen genauso bunt wie bei Windows und Co.

Ich finde Benutzeroberflächen nützlich. Es sind eben Werkzeuge. Ich kann natürlich ein Loch auch mit einem Handbohrer in die Wand bohren/kurbeln, aber ich kann natürlich auch eine Bohrmaschine benutzen. Dazu muss ich die technischen Spezifikationen der Bohrmaschine nicht kennen. Klar bekomme ich wenn ich die DoS-Box benutze ein heimeliches Gefühl und freue mich auch immer wieder darüber mal für eine halbe Stunde Befehle einzuhacken, aber das hält eben auch nicht länger an. Meist denke ich eher mit Grausen an alte DoS-Zeiten zurück. Windows hatte Anfang/Mitte der 90ziger das arbeiten und spielen am PC um einiges leichter und übersichtlicher gemacht. Das heute die Benutzeroberflächen aussehen wie die Phantasiebenutzeroberflächen aus SciFi-Filmen von Ende der 90ziger Jahre oder eben Star Trek (Tatschskrien!) finde ich gut. Das macht einfach auch Spaß. Vielleicht liegt es daran das ich ein Spieler bin und eben die Freude am spielen nicht mit 13 verloren habe (wie Andere die in den 70zigern aufgewachsen sind). Aber man muss ja nicht meiner Meinung sein.

Was meint ihr? Sind bunte Benutzeroberflächen eigentlich doof oder nicht?

Verlag: Goldmann (2002)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3442151775
ISBN-13: 978-3442151776

6 Kommentare:

Marco hat gesagt…

Früher war alles besser. *harharhar*

Nein, es ist wahnsinnig wichtig, dass ein Computer eine Benutzeroberfläche hat. Kommandozeile, das ich nicht lache. Warum soll ich Befehle lernen, wenn ich rumklicken kann? Es ist sowas von einfach geworden diese Maschinen zu steuern. Man muss vielleicht dazusagen, dass ich noch nicht sehr lange dabei bin, seit 2 Jahren habe ich erst einen PC, und ich bin irgendwie darauf hängen geblieben und mittlerweile steige ich auch langsam dahinter wie so Maschinen arbeiten, aber was ist mit Menschen, die weder Zeit noch Lust haben Befehle zu erlernen und einfach nur "was schaffen" wollen? Man sollte mit der Zeit gehen. Kommandozeile ist geil für Nerds im heutigen Zeitalter. Andere sind wahrscheinlich eher froh, sowas nicht mehr zu machen :)

Allein wenn ich daran denke, mein Vater - der ohnehin nicht so mit Computern kann - müsste sowas lernen. Achje!

rollinger hat gesagt…

Sie sind nicht doof. Das sagt vielleicht er, weil er davon vielleicht Ahnung hat. Ich mit einem KFZ Hintergrund könnte sagen "Wie zu doof ein paar Zündkerzen zu wechseln, Du bist ja zum Auto fahren total entmündigt" oder ähnliches.
Aber in dem Computerbereich ist diese Arroganz auf dieses Zeug Tagesordnung. Admins die sich über Mediziner lustig machen, weil die nicht wissen wie man ohne Mouse den Dateiexplorer bedient. Wenn ich dann spitz anmerke "Diese Frau operiert Dir aber den Blinddarm mit einem Armeemesser heraus wenn Du krepierst" wird man schief angeschaut.
Ich hasse diese Wichtigtuer ComputerNERDS die alles davon abhängig machen wie jemand mit einem Computer umgehen kann, aber selbst zu doof ist einen Nagel in die Wand zu bekommen.

henk hat gesagt…

Trotzdem ich wie schon gesagt/geschrieben habe, bin ich ja auch ein Fan von Benutzeroberflächen. Und als Spieler können sie für mich nicht bunt oder verspielt genug sein. Befehle direkt einzuhacken hat natürlich den Vorteil direkt einzuwirken. Aber warum sollte ich das tun wollen? Ich benutze z.B. unter der DOS-Box auch den Norton Comander. Das hat mir zu DOSenzeiten das Leben leichter gemacht und heute auch noch.
Es ist einfach praktischer.

Marco hat gesagt…

Hab's mir jetzt mal bestellt, und schaue mal genau über die Ansicht dieses Herrn drüber. Vielleicht hat er ja auch total Recht ;)

henk hat gesagt…

ich hoffe gebraucht und fürn euro! mehr ist es eigentlich nicht wert!
(ach, da habe ich ja was angerichtet...)

Marco hat gesagt…

:D ich habe die englische Ausgabe ausgesucht. Die war ein wenig teurer, aber mich stört das nicht so sehr. Einmal weniger Döner essen :D